Wein verkosten wie ein Profi
Weinbeschreibungen - manchmal abgehoben, oft unverständlich. Wer kann schon was mit "schwerelos und glockengleich in der Struktur", "filigraner Tänzer" oder "animalischer Würze" anfangen? Authentisch geht anders!
Überregional | WeinwissenWer einen Wein probiert, sollte nicht verzweifelt nach abstraktem Vokabular suchen müssen, sondern ungehemmt beschreiben, was er riecht und schmeckt. Hat der Wein ein starkes oder schwaches Aroma? Lassen sich fruchtige Aromen ausmachen? Ist der Wein süß oder säurebetont? Wie ist seine Textur? Hallt der Wein angenehm am Gaumen nach?
Solche Beschreibungen sind eindeutig und nachvollziehbar. Schließlich geht es beim Weingenuss um Vorlieben, um Genuss und Leichtigkeit.
Im 2. Teil zum Thema Weinprobe zu Hause beschreiben wir detailliert, wie Du Farbe, Geruch und Geschmack von Wein isoliert bewertest, um ihn mit anderen vergleichen zu können. Hier eine Schritt-für-Schritt-Anleitung.
Auge - Die erste optische Prüfung
Die Farbe des Weins verrät viel über das Alter und den Körper. Junge Rotwein haben oftmals einen violetten oder bläulichen Stich. Ein helleres Rot weist auf einen älteren Wein hin. Leichte, frische Weißweine sind sehr hell. Je reifer ein Weißwein dagegen ist, umso goldener schimmert er, bis hin zum dunklen Bernstein.
Am besten, du hältst das Glas ein Stück weit vom Körper weg und versuchst einen neutralen möglichst weißen Untergrund zu finden (Tischdecke oder weißes Blatt Papier); so wird die Farbe nicht durch das Umfeld beeinflusst. Halte das Glas schräg vor die weiße Fläche und blicke hindurch.
Schwenk den Wein im Glas, lass ihn atmen. Das Schwenken sorgt für eine größere Oberfläche, was die Verdunstung und damit die Intensität der Aromen steigert. Auch Schlieren an der Glaswand verraten viel über den Inhalt. Weinkenner sprechen von "Kirchenfenstern". Sind sie breit und schwer, erweist sich der Wein als alkohol- und extraktreich.
Nase - Im Wechsel von Schwenken und Riechen
Der erste Eindruck ist wichtig, denn die Nase gewöhnt sich rasch an den Duft. Riechen ist also wesentlich vor dem Trinken. Steck ruhig deine Nase tief in das Glas und schnüffel, um die Intensität des Aromas gut wahrzunehmen. Gute Weine können sehr reichhaltige Geruchsnuancen aufweisen. Die Noten reichen von schwarzer Johannisbeere und Vanille über Gras bis hin zu Holznoten.
Hilfreich ist hier das Aromarad (zu beziehen z.B. über das Deutsches Weininstitut), ein standardisiertes Kreis-System zur sensorischen Beschreibung von Aromen. Danach lässt sich der Duft zunächst grob (1. Kreis), dann feiner (2. Kreis) untergliedern. Im dritten Kreis finden sich über 100 Aromen, die auf die jeweils inneren Kreise aufsetzen.
Der erste Schluck kann leicht zu einem Festival der Sinneseindrücke werden. Nimm einen großen Schluck und behalte ihn einige Sekunden um Mund, damit er sich im gesamten Mundraum ausbreiten kann:
Zu den Düften gesellen sich jetzt Säure, Tannin, Zucker oder mineralische Geschmackseindrücke. Beim Schmecken des Weines treten - unterstützt durch ausgiebiges Schlürfen - die Aromastoffe in die Atemluft und beim Ausatmen zwangsläufig in die Nase. Hier entscheidet sich erst, ob der Wein fruchtig oder blumig schmeckt. Wie wichtig dieser sogenannte retronasale Geruch während des Schmeckens ist, kann jeder bei einem Schnupfen feststellen, wenn selbst die Lieblingsspeise plötzlich fad schmeckt, da der Zugang zum Geruchssinn für die Aromastoffe blockiert ist.
Den Wein "kauen"
Das hörbare Verteilen des Weines im Mund nennt man "kauen". An der Spitze empfindet die Zunge Süße, im ersten Drittel und an dessen Rand können salzige Komponenten herausgeschmeckt werden, dahinter und an der Wurzel lassen sich bittere Noten entlarven. Das Verhältnis von Süße und Säure ist entscheidend. Zucker, Alkohol und Glycerin bilden die Süße. Fehlt Säure, schmeckt der Wein fad. Bittere Noten gehen auf Gerbstoffe (Tannine) zurück. Stiel, Schale und Kerne sind deren Ursachen. Ob Du den Wein schluckst oder ausspuckst hängt von der Anzahl ab. Wenn Du mehrere Weine probieren möchten, spucke den Wein besser aus. Achte darauf, wie lange Deine Eindrücke im Mund anhalten. Der "Abgang", so heißt der Nachgeschmack, sagt viel über die Weinqualität. Erweist er sich als "kurz" oder "stumpf", erhält der Wein Minuspunkte. Lang und nachhaltig hingegen deutet auf ein Spitzengewächs hin.
Damit die Verkostung unbeeinflusst bleibt, werden die Etiketten „versteckt“. Dazu können Sie die Flaschen in Alufolie wickeln oder mit schwarzen Strümpfen überziehen. Wichtig ist, die Flaschen zu nummerieren, damit die Gäste ihre Bewertung zum Schluss den Weinen zuordnen können.
Zum 1. Teil: Weinprobe zu Hause: Die Vorbereitung
Autor: Katja Ruhl