CO2 neutraler Wein – Wein trinken fürs Klima!
Auch wenn Stickoxide (NOX) aus Dieselmotoren wesentlich präsenter in den Medien sind– CO2 ist neben Methan der größte Klimakiller. Auch rund um den Wein entsteht an vielen Stellen des Prozesses CO2. Doch Rettung naht in Form klimaneutraler Weine.
Überregional | WeinmacherDer größte Teil der Energie, die weltweit verbraucht wird, stammt immer noch aus fossilen Brennstoffen. Kohle entstand vor 300 Mio. Jahren aus gigantischen Wäldern. Erdöl und Erdgas sind vor 200 Mio. Jahren aus abgestorbenem Plankton entstanden. Sowohl die Bäume als auch das Plankton haben während ihres Lebens unvorstellbare Mengen an CO2 aufgenommen und in der Tiefe gebunden. Werden heute Kohle oder Erdgas zwecks Energiegewinnung verbrannt, wird CO2 frei, das mindestens 200 Mio. Jahre unter der Erde gespeichert war. Zwischenzeitlich hatte sich in der Erdatmosphäre ein Gleichgewicht der Gase gebildet, das seit mehr als 100 Jahren durch immer mehr zusätzliches fossiles CO2 vom Menschen zerstört wird. Viele Winzer möchten dieser Entwicklung entgegensteuern und versuchen deshalb, ihre Weine möglichst ohne den Ausstoß von weiterem zusätzlichem CO2 zu produzieren. Wie kann das gehen?
Viele Winzer versuchen, ihre Weine möglichst ohne den Ausstoß von weiterem zusätzlichem CO2 zu produzieren.
Klima schonen durch das Kompensations-Prinzip?
Der CO2-Ausgleich funktioniert nach einem einfachen Prinzip: Selbst verursachte Klimaschädigung lässt man anderswo durch CO2-Vermeidung gegen Bezahlung kompensieren. Das kann zum einen dadurch geschehen, dass Wald gepflanzt wird, der durch sein Wachstum CO2 bindet – zum Beispiel durch ein Aufforstungsprojekt in Costa Rica. Die andere Möglichkeit ist, irgendwo auf der Welt Maßnahmen zu unterstützen, die weiteren CO2-Ausstoß verhindern. Dies geschieht sehr einfach durch Zahlung eines bestimmten Betrags an eine so genannte Kompensationsagentur. Angeblich gibt es allein in Deutschland bereits zwei Dutzend dieser Dienstleister, die CO2-Zertifikate gegen harte Euro verkaufen und das Geld irgendwo auf der Welt für CO2-mindernde Maßnahmen ausgeben. Leider fehlt in vielen Fällen die nötige Transparenz. Wer sich nach dem Clean Development Mechanism (CDM) Gold Standard zertifizieren lässt, gilt aber als vertrauenswürdig.
Der Kompensationsdienstleister Atmosfair bringt beispielsweise effiziente Brennholzkocher nach Afrika oder baut Biogasanlagen in Indien mit dem Geld der deutschen CO2-Sparer. Oder, wenn man einmal einen Flug nicht vermeiden kann, bekommen dafür indische Haushalte grüneren Strom. Damit ist der eigene CO2-Ausstoß theoretisch kompensiert, und das Gewissen ist rein.
Die an die Agenturen zu zahlenden Beträge richten sich u.a. nach der Entfernung und der gebuchten Klasse. Wer 1. Klasse fliegt, braucht mehr Platz, hat also einen höheren Anteil am Treibstoffverbrauch. Myclimate zum Beispiel, der angeblich größte Anbieter in diesem Segment, berechnet nach Presseangaben 6 Euro für einen Flug von Frankfurt nach Barcelona – und schon ist das CO2 neutralisiert. Wer nach Sydney will, muss demzufolge 82 Euro berappen. Für ein Projekt in der Türkei kaufte Myclimate 18 Windkraftanlagen und ließ sie ans nationale Stromnetz anschließen. Seitdem werden jedes Jahr in der Türkei rund 30.000 t CO2 eingespart, weil ein Kohle- oder Gaskraftwerk überflüssig geworden ist.
CO2 lieber direkt vermeiden
Sich CO2-Kompensation zu erkaufen, beruhigt zunächst einmal das Gewissen. Von Kritikern wird das Kompensationsmodell aber als Ablasshandel bezeichnet, denn es löst das Kernproblem nicht, dass weltweit einfach zu viel CO2 von Flugzeugen, Fahrzeugen, Kraftwerken und der Industrie ausgestoßen wird. Die Hauptverursacher sind hinreichend bekannt. Verantwortungsvolle Winzer in Deutschland versuchen schon heute, unnötige CO2-Erzeugung im Weingut zu verhindern. Das geschieht z. B. durch ausschließliche Verwendung von Ökostrom, Photovoltaik auf den Dächern, Verzicht auf mineralische Stickstoffdünger (deren Herstellung Strom benötigt), die Verwendung von leichteren Glasflaschen und den Verzicht auf unnötige Reisen, vor allem mit dem Flugzeug.
In der Weinbranche gibt es einige wenige Spitzenlastpunkte (Emissions-Hotspots). Das ist zum einen der Betrieb von Fahrzeugen aller Art, angefangen vom Traktor im Weinberg über den Stapler im Lager bis hin zum Transporter, der die Flaschen zu den Kunden bringt (und jetzt rufe bitte niemand, der Stapler fahre doch mit Strom, der kommt nämlich auch nicht einfach so aus der Steckdose). Auch Kühl- oder Erhitzungsmaschinen sind große Energiefresser. Und solange nicht der gesamte Strom ohne fossile Brennstoffe erzeugt wird, belastet Stromverbrauch die CO2-Bilanz. Ein weiterer großer Posten in der Energiebilanz eines Weinguts oder einer Kellerei sind die Flaschen. Noch immer wird Wein zum weitaus größten Teil in Glasflaschen abgefüllt. Deren Herstellung und Transport brauchen enorme Energiemengen.
Text wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Fachverlags Dr. Fraund, nachzulesen in WEIN+MARKT Ausgabe 9-17.