Was macht einen qualitativ hochwertigen Wein aus?
Es gibt für diesen Begriff keine wissenschaftliche Definition. Der Versuch käme dem Bemühen gleich, einen Pudding an die Wand zu nageln. Dennoch wird in der Branche über nichts mehr diskutiert, als über die Weinqualität.
International | WeinmacherWir möchten hier den zugegeben völlig unwissenschaftlichen Versuch unternehmen, ein paar Aspekte zu dem meist sehr philosophischen Thema zusammenzutragen.
Guten Wein, also „Qualitätswein“ (natürlich nicht im weinrechtlichen Sinne) kann theoretisch jeder herstellen, der über Trauben verfügt. Wein ist ein im Grundsatz sehr natürliches Produkt, das ausschließlich aus Trauben hergestellt werden kann. Es gilt, die reifen Früchte auszupressen, den süßen Saft zu vergären und ihn anschließend von allen Trubstoffen zu befreien – fertig ist der Wein. In der Praxis sieht das allerdings etwas anders aus. Aus hygienischen und ökonomischen Gründen wurden zahlreiche chemische, biologische und physikalische Methoden entwickelt, um den entstehenden Wein während dieses Prozesses vor den vielfältigen Gefahren des Verderbs zu bewahren und ihn möglichst schmackhaft und haltbar zu machen.
Wer bestimmt den Begriff: Erzeuger, Kritiker oder Kunde?
Aber was genau macht nun einen qualitativ hochwertigen Wein aus? Bis heute ist noch nicht abschließend geklärt, wer in Sachen „Weinqualität“ die Deutungshoheit hat. Sind es die Erzeuger, die Önologen, die Weinverbände, die amtlichen Prüfer, die Jurymitglieder von Wettbewerben, die Journalisten – oder sogar die Konsumenten, die mit ihrem Griff ins Regal abstimmen?
Mit dem Jahrgang 1971 trat in Deutschland ein neues Weingesetz in Kraft, das verschiedene „Qualitätsstufen“ fast ausschließlich nach dem Zuckergehalt der Trauben definierte. Danach sollten amtliche Prüfer per Verkostung entscheiden, was sich „Qualitätswein“ nennen darf und was nicht. Damals wurde zum Beispiel alles systematisch abgelehnt, was nach Holz roch. Den Prüfern waren sogar besonders aromatische Weine suspekt.
Aber können Spitzenweine nur entstehen, wenn sie von hochqualifizierten Önologen lückenlos überwacht und „gemacht“ werden? Oder entsteht ein Wein von besonderer Qualität nicht vielmehr, wenn man den beteiligten Mikroorganismen maximalen Entfaltungsspielraum bietet? Was hat den Ruf der heute noch weltweit pauschal anerkannt guten Weine wie Bordeaux, Riesling oder Barolo begründet? Heutige Qualitätsmaßstäbe?
Deutsches Weininstitut
Bildquelle: Deutsches Weininstitut, source
Das Geheimnis ist viel simpler: Die genannten Weine waren über Jahrhunderte die einzigen, die nach wochenlangen Transporten und vielen weiteren Wochen, die es dauerte, bis das Fass leer getrunken war, noch genießbar waren. Nur deshalb wurden sie an den europäischen Adelshöfen bekannt. Immerhin, die innere Stabilität gehört auch zu den Anforderungen an einen guten Wein. Fakt ist: Heute gibt es viele unstrittige Parameter, was ein guter Wein nicht haben darf. Dazu gehören in erster Linie zu viel Sauerstoff und die daraus resultierenden Oxidationserscheinungen. Essig und dessen Verwandte haben im Wein ebenfalls nichts verloren. Und schließlich führt auch der Böckser zum Ausschluss aus der Kategorie „guter Wein“. Heißt das also, Weine, die keinen Fehler haben, sind gut? Nein! Damit ist eher ein Minimalziel erreicht, dass für jeden Wein gelten sollte. Die modernen Winzer sind sich einig: 100% der Weinqualität wachsen im Weinberg. Sind die Trauben einmal geerntet, kann der Kellermeister sich nur noch bemühen, möglichst viel von diesen 100% Qualität, die ihm zur Verfügung stehen, in die Flasche zu bekommen. Und ob letztlich 95% oder nur 60% im Glas der Weintrinker landen, hängt vom handwerklichen Geschick der Önologen ab. Unser Versuch, Weinqualität zu definieren, könnte folgendermaßen lauten:
Ein Wein von guter Qualität hat keine erkennbaren Fehler, hat ein rebsortentypisches, traubig-fruchtiges Aroma und ein ausreichend harmonisches Gesamtbild bei gutem Mundgefühl und mittlerer Länge.
Ein Wein von sehr guter Qualität hat eine stärker ausgeprägte positive Aromatik und lässt seine Herkunft erkennen. Am Gaumen zeigt er ein deutlich volleres Volumen und ein vielschichtiges Spektrum von positiven Gaumeneindrücken bei langem Nachhall.
Ein Wein von außergewöhnlich hoher Qualität zeigt eine extrem vielschichtige Aromatik, die immer wieder Neues entdecken lässt und die Rebsorte, einen Stil und/oder die Herkunft in besonderer Weise ausdrückt. Der Eindruck am Gaumen muss von einem breiten Spektrum verschiedener angenehmer Eindrücke beherrscht sein. Ein solcher Wein zeigt ein perfektes Zusammenspiel aller vorhandenen positiven Aromakomponenten und hinterlässt einen sehr nachhaltigen Eindruck am Gaumen und im leeren Glas.
Text wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Fachverlags Dr. Fraund, nachzulesen in WEIN+MARKT Ausgabe 7-12