Nummer 5 lebt - wie schmeckt eigentlich Umami?
Süß, sauer, salzig, bitter - so weit so bekannt. Doch es gibt noch eine 5. Geschmacksrichtung: umami!
WeinwissenJeder Sensorik-Kurs beginnt mit einer Übung zu den vier Grundgeschmacksarten süß, sauer, salzig und bitter. Meist werden mittels speziell angefertigter Lösungen von Zucker, Kochsalz, Zitronensäure und Koffein die Geschmacksschwellen der Probanden ausgelotet. Heute werden diese Lektionen ergänzt durch die Information, dass es noch einen fünften Grundgeschmack gibt: Umami. Aber wie schmeckt Umami?
Zunächst wollen wir nicht verschweigen, dass in die Reihe der grundlegenden Geschmacksempfindungen auch die Wahrnehmungen scharf und adstringierend gehören, für die es aber keine Geschmackspapillen im eigentlichen Sinn gibt. Scharf wird schlicht als Schmerzempfindung wahrgenommen, da das im Chili enthaltene Capsaicin direkt auf die Wärmerezeptoren der Haut wirkt und somit als heiß empfunden wird. Der pelzige Eindruck der Adstringenz entsteht dadurch, dass die Eiweiße in unserer Mundschleimhaut durch Gerbstoffe denaturiert werden, sie gerinnen also. Dadurch entsteht ein trockenes Gefühl.
Umami und Glutamat
Ein Koch hat uns erklärt, dass der Sud aus skandinavischen Herbstpfifferlingen praktisch der reine Umamigeschmack wäre. Der ließe sich auch wunderbar einfrieren und so bei jeder Gelegenheit zur Verfeinerung von Soßen verwenden. Bei der Internetrecherche findet sich ein Beitrag, der überschrieben ist: „Umami – Glutamat im neuen Tarnkleid“. In dieser Veröffentlichung des „Zentrums für Gesundheit“ werden die Aminosäure Glutaminsäure und deren Salze, die Glutamate, für den Umami-Geschmack verantwortlich gemacht. Gleichzeitig wird Glutamat als einem Rauschgift ähnlich bezeichnet, das nach Aussage dieses Beitrags im Internet „abhängig macht und zu Hirn- und Augenschäden führen kann“. Und weiter heißt es in diesem Artikel: „Bei empfindlichen Menschen können nach dem Verzehr von ungewohnten Mengen Glutamat außerdem Symptome wie Kopfschmerzen, Herzklopfen und Übelkeit auftreten. Glutamat ist der Gesundheit massiv abträglich.“
Vordenker aus Japan
Zweifelsohne richtig ist in dem Beitrag der Hinweis auf den Entdecker von Umami, Professor Kikunae Ikeda von der ehemals kaiserlichen Universität Tokyo, der „den fünften Geschmack“ im Jahr 1908 bereits definierte. Erst ein knappes Jahrhundert später wurden tatsächlich die zugehörigen Papillen auf der Zunge entdeckt. Richtig ist auch, dass Umami und Glutamat bzw. dessen nahe Verwandte Guanylat und Inosinat gleichzusetzen sind. Ikeda wird auf der Website des „Umami Information Center“ aus dem Jahr 1912 folgendermaßen zitiert: „Wer aufmerksam probiert, wird entdecken, dass im komplexen Aroma von Spargel, Tomaten, Käse und Fleisch ein gemeinsamer und absolut einzigartiger Geschmack festzustellen ist, der weder süß, noch sauer, noch salzig, noch bitter genannt werden kann.“ Es ist kein Zufall, dass ein japanischer Professor den Geschmacksverstärker Glutamat entdeckt und ihn Umami – der japanische Begriff für „herzhaft“, „wohlschmeckend“ oder „fleischig“ – genannt hat.
Umami in der Küche
Seit Jahrhunderten wird in der japanischen Küche ein unverzichtbarer Fond aus Seetang und Bonito-Flakes (hauchdünn geschnittenes getrocknetes Thunfischfleisch) hergestellt, der für die meisten Gerichte verwendet wird: Ichiban Dashi, gemeinsam mit einigen Variationen davon ist nicht wegzudenken aus der japanischen Spitzenküche. Seetang, Fisch, Tomaten, Spargel, aber auch vergorene Produkte oder Käse enthalten natürliches Glutamat. Das Fleisch des Bonito enthält Inosinat. Der Shiitake-Pilz (und vermutlich auch der skandinavische Herbstpfifferling) enthält Guanylat. Der Eigengeschmack von Glutamat (siehe Ichiban Dashi) wird von den wenigsten Menschen bewusst wahrgenommen. Seine wesentliche Wirkung besteht darin, den Eigengeschmack von Lebensmitteln zu verstärken oder gar zu verbessern, ähnlich, wie das auch Salz oder Zucker bewirken können. Auch die europäische Küche kennt den Effekt von Umami. So wie ein japanischer Koch Seetang und Bonito-Fleisch oder ein Chinese Chinakohl und Hühnerknochen gemeinsam kochen, werden in Europa Zwiebeln und Kalbshaxe zusammen gegart. Der Effekt ist derselbe: eine Geschmacksverstärkung durch natürliches Umami.
Wein und Umami
Chemisch ist Mononatriumglutamat die Verbindung aus dem Mineralstoff Natrium und der Aminosäure Glutaminsäure, die für den Energiestoffwechsel, die Immunabwehr und den Schutz der Darmschleimhaut wichtig ist. Laut verschiedener Quellen nehmen wir täglich mehrere Gramm Glutamat auf, sowohl direkt in Form verschiedener Salze der Glutaminsäure als auch indirekt als Bestandteil von Eiweißstoffen. Der Eiweißbaustoff Glutaminsäure wird unter anderem auch in den Wein freigesetzt, wenn Hefezellen nach der Gärung absterben (Autolyse) und – wie zum Beispiel bei der Lagerung auf der Feinhefe – noch längere Zeit im Wein verbleiben. Der Gedanke liegt also nahe, die Fülle und Ausgewogenheit dieser Weine mit Umami in Verbindung zu bringen.
Text wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Fachverlags Dr. Fraund, nachzulesen in WEIN+MARKT Ausgabe 10-12.