Grad Oechsle - Was bedeutet das?
Mit Oechsle bezeichnet man die Maßeinheit für das Mostgewicht des Traubenmostes. Das wiederum ist das Maß für gelöste Stoffe – vor allem Zucker - und somit ein Indikator für den potenziellen Alkoholgehalt des späteren Weins.
Überregional | WeinwissenVor allem der Zuckergehalt ist es, der das Gewicht eines Liters Traubenmost ganz entscheidend beeinflusst. Alle anderen Inhaltsstoffe der Trauben, wie Fruchtsäuren oder Mineralstoffe, kommen in vergleichsweise geringen Mengen vor und werden bei der Bestimmung des Mostgewichts schlicht vernachlässigt.
Als Vergleich dient ein ganz normaler Liter reines Wasser. Dieser hat bei einer Temperatur von 20 Grad Celsius eine Masse von exakt 1.000 Gramm. Die Temperatur muss deshalb beachtet werden, weil sich Flüssigkeiten mit steigender Temperatur ausdehnen und umgekehrt das Volumen kleiner wird, wenn die Temperatur sinkt. Wie wird nun das Mostgewicht, also der Zuckergehalt des Traubensafts, gemessen?
Als erster hat ein Apotheker aus Pforzheim, Christian Ferdinand Oechsle, in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ein taugliches Gerät entwickelt, mit dem der Zuckergehalt im Traubenmost zuverlässig ermittelt werden konnte. Seit 1815 war bekannt, dass Zucker durch Hefen in Kohlendioxid und Alkohol umgewandelt wird. Ein Liter frisch gepresster Traubensaft aus reifen Trauben kann beispielsweise 210 g Zucker enthalten. Da Zucker schwerer ist als Wasser, ist auch die Masse des süßen Safts höher als die reinen Wassers. Ein Liter mit dem oben genannten Gehalt an Zucker wiegt 1.090 Gramm. Dieser Wert drückt auch die Dichte, also das spezifische Gewicht dieser Flüssigkeit aus.
Nach Oechsle wurde festgelegt, dass dieser Traubenmost ein Mostgewicht von 90 Grad Oechsle (Oe) aufweist. Wiegt ein Liter Traubensaft 1.120 Gramm, hat er 120 Grad Oe. Das entspricht wiederum 289 Gramm Zucker pro Liter. Der eigentliche Zuckergehalt lässt sich mit Oechsles so genannter Mostwaage aber nicht bestimmen. Dieser lässt sich nur mittels Laboranalyse feststellen. Auch andere Wissenschaftler befassten sich im 19. Jahrhundert mit dieser Aufgabenstellung.
Deshalb gibt es neben den Grad Öchsle auch Grad Brix, Grad Baumé oder Grad Babo. Auch das Kürzel KMW ist bekannt. Es steht für Klosterneuburger Mostwaage, die in der österreichischen Forschungseinrichtung Klosterneuburg nahe Wien entwickelt wurde. Brix-Grade entsprechen ungefähr dem prozentualen Anteil an Zucker im Most. 15 Grad Brix sind also annähernd 150 g Zucker pro Liter. Auch Grad KMW beziehen sich auf die Gewichtsprozente. Professor August Wilhelm von Babo war Mitte des 19. Jahrhunderts der Leiter der Klosterneuburger Forschungseinrichtung, weshalb sein Name manchmal als Maßeinheit auftaucht. Baumé-Grade drücken den ungefähren späteren Alkoholgehalt in Volumenprozent aus. 10 Grad Baumé ergeben in einem durchgegorenen Wein etwa 10% Vol. Alkohol.
Was ist nun der Unterschied zwischen „vorhandener Alkohol“ und „Gesamtalkohol“? Der Zucker in Trauben besteht fast ausschließlich aus Glucose und Fructose. Bei der Vergärung wird zunächst der Glucose-Anteil verarbeitet und dann erst die Fructose. Es bleibt aber immer ein gewisser Rest als unvergorener Zucker in sehr unterschiedlichen Mengen zurück. In die Gesamtalkoholangabe wird auch dieser Rest eingerechnet, sie ist deshalb immer höher als die Angabe zum vorhandenen Alkohol, die sich später auf dem Etikett wiederfindet. Der „potenzielle“ Alkoholgehalt entspricht dem Gesamtalkohol und drückt aus, wie viel Ethanol ein Wein haben würde, wenn die Hefen es schafften, 100% des im Saft vorhandenen Zuckers umzuwandeln. Dieser Wert steht in dem Moment fest, wenn die Trauben abgeschnitten werden.
Wie viel Alkohol der fertige Wein später haben wird, kann zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand sicher sagen, da dies sehr stark vom so genannten Vergärgrad abhängt. Je nach Hefe (Reinzucht oder Spontangärer), Temperatur, Ernährungszustand der Hefen, Grad der Vorklärung und sogar Jahrgang können sehr unterschiedliche tatsächliche Alkoholgehalte (= vorhandener Alkohol) entstehen.
Text wurde veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung des Fachverlags Dr. Fraund, nachzulesen in WEIN+MARKT Ausgabe 1-12